Wie ich zu einer GoTo-Montierung gekommen bin | Macht GoTo dumm? | Einige Annehmlichkeiten (und Widrigkeiten)... | Vorläufiges Fazit | Links
Auf dieser Seite werde ich einige allgemeine Erfahrungen und Überlegungen zusammenstellen, die ich mit meiner neuen AZ GoTo-Steuerung gemacht habe (seit Juli 2016). Sie hat den langen Namen Sky-Watcher Star Discovery AZ GoTo Teleskop-Montierung und ist also eine azimutale Montierung. An dieser Montierung verwende(te) ich die Teleskop-Tuben Sky-Watcher Heritage 100P, Heritage P130 (nicht mehr in meinem Besitz), Sky-Watcher Explorer 150PDS, und Skymax-102 OTA.
Siehe auch:
Nachdem ich für einige Zeit ein bei ALDI gekauftes Bresser Venus 76/700 AZ-Teleskop besaß, habe ich mich im Internet mit dem Meade ETX-90EC, einem Maksutov-Cassegrain-Teleskop, angefreundet - unter anderem dank Michael Weasners Website (leider nicht mehr aktiv) dazu. Im Frühling 1999 ergab sich auf dem Flughafen in Pittsburgh die Gelegenheit, ein ETX samt Autostar-Computer zu kaufen (ich hatte darauf spekuliert...), habe es getan, und das Ganze teuer verzollt (ein Erlebnis der besonderen Art!). Später habe ich noch ein Tischstativ erworben, um die Nachführung und GoTo-Steuerung nutzen zu können, aber das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Stattdessen habe ich das ETX wie ein Dobson-Teleskop verwendet und bin später dann ja auch bei diesem Prinzip geblieben. Mein erstes Dobson, ein 10" Meade Lightbridge kam 2009 dazu und kurz danach, noch im selben Jahr, habe ich das ETX verkauft. Höhepunkt seiner "Karriere" bei mir waren sicher die Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis im Jahre 1999 und des Venustransits der Sonne im Jahre 2004.
Schon beim ETX, das wegen seiner langen Brennweite, recht hoch vergrößert, fiel mir auf, dass Himmelsobjekte ohne automatische Nachführung schnell aus dem Bildfeld verschwinden. Das war natürlich bei meinen späteren "großen" Teleskopen genauso. Besonders störte das, wenn ich etwas meiner Frau zeigen wollte, und sie nicht schnell genug "zur Stelle" war... Im Jahr 2016 grub ich die Idee einer automatischen Nachführung wieder aus oder auf - beim ETX war ich ja gescheitert... Diesmal entschied ich mich für eine Sky-Watcher Virtuoso-Montierung (azimutal, nur Nachführung, GoTo teuer nachrüstbar; mit 4,5" Dobson-Tubus) - und scheiterte wieder. Die Steuerung spielte "verrückt", warum, weiß ich nicht, und so habe ich mich aus wieder von dem Gerät getrennt. Danach habe ich überlegt, ob ich es noch einmal damit oder mit der ähnlichen Merlin-Steuerung versuche, nach weiteren AZ-Steuerungen recherchiert und schließlich einen Händler nch seinen Empfehlungen gefragt. Der riet mir zu einer Sky-Watcher Star Discovery AZ GoTo-Montierung, die immerhin bis zu 5 kg tragen kann - es ging auch um das Gewicht - und auch schon GoTo dabei hat. Hier stellte sich eher die Frage, ob das Gerät auch "einfach so" nachführen kann. Das ließ sich klären, es kann! Ich habe aber bisher nur mit GoTo gearbeitet - das ist der Fluch der Technik...
Letztendlich bin ich zu einer GoTo-Steuerung gekommen, weil ich eine automatische Nachführung haben wollte und zudem eine Montierung, die mehr als 2 kg Gewicht tragen kann. Bei der Virtuoso-Steuerung werden in Europa zwar 4 kg Tragfähigkeit angegeben, aber in den USA warnen die Websites sehr dringlich davor, über 2 kg zu gehen...
Nun besitze ich also eine GoTo-Steuerung, verwende sie ab und zu, d.h. wenn sich der Aufwand lohnt und ich zu Hause und nicht unterwegs bin (da nahm ich das Heritage 100P und nun das PS 72/432). Und auch trotz anfangs teilweise frustrierender Erfahrungen (die sich sicher wiederholen werden...), würde ich die GoTo-Steuerung nicht mehr hergeben wollen - höchstens gegen eine bessere eintauschen oder eine, die auch einen 6-Zöller tragen kann. Inzwischen hat mir ein Händler versichert, dass die Montierung das tragen kann und dass es Wege gibt, sie an höhere Gewichte anzupassen.
Man könnte diese Frage natürlich auch anders stellen, zum Beispiel: Verhindert GoTo, dass man klug wird? Damit ist gemeint, ob GoTo verhindert, dass man Sterne, Sternbilder und Deep-Sky-Objekte, insbesondere ihre Position am Himmel, lernt. Mit anderen Worten, bewirkt GoTo, dass man nichts dazu lernt und dumm bleibt? Ich gehe diese Fragen einfach mal aus meiner persönlichen Situation an. Diese bestand darin, dass ich ein "ewiger Anfänger" war, der über Mond, Sonne und drei bis vier Planeten eigentlich nie hinausgekommen ist - und das ganz ohne GoTo! Erst im Frühling 2016 beschaffte ich mir Literatur zu Deep-Sky-Objekten, um endlich etwas weiter zu kommen. Und im Sommer kam eine GoTo-Steuerung hinzu, so daß sich hier die Effekte vermischen. Ich versuche deshalb im folgenden, die Frage anhand der drei anfangs genannten Kategorien "Sterne", "Sternbilder" und "Deep-Sky-Objekte", etwas "aufzuschlüsseln"...
Ich kannte nie viele Sterne, man könnte auch sagen, fast gar keine (Polarstern, Sirius, Deichselstern und Reiterlein, nun mir als Mizar und Alkor bekannt, das war's im Großen und Ganzen...). Meine Frau und Freunde haben mir zwar den einen oder anderen Stern gezeigt, aber meistens ist dieses Wissen bei mir nicht hängen geblieben. Durch die nähere Beschäftigung mit Deep-Sky-Objekten und die entsprechende Literatur komme ich nun mit den bekannteren und helleren Sternen öfter in Kontakt und hoffe, dass der eine oder andere besser im Gedächtnis hängen bleiben wird.
Die GoTo-Montierung verlangt nach zwei Sternen, um sich ausrichten zu können. Insofern glaube ich, dass sie mich eher klüger als dümmer macht, denn ich muss ja ungefähr wissen, wo die Sterne stehen, die sie zur Ausrichtung benötigt (d.h. ob sie überhaupt zu sehen sind, nicht verdeckt sind usw.). Vorher waren mir Sterne, das heißt, ihre Namen, weitgehend egal...
Ich kannte nie viele Sternbilder und oft waren das auch nur Sterngruppen (Asterisms) und keine vollständigen Sternbilder. Sternbilder sind ziemlich beliebige Muster, das wird auch in der Literatur bestätigt. Sternbilder sind nicht "natürliche Gruppierungen" im Sinne der Gestaltpsychologie (das sind eher die Sterngruppen...), und deshalb kann ich mir diese einfach nicht merken. Großer Wagen, Cassiopeia (das Himmels-W), Orion, Krone, viel mehr fiel mir zu Sternbildern nicht ein. Auch der Kauf vieler Bücher mit Sternbildern hat nichts genutzt, zumal ich sie nie gelesen habe...
Erst durch den Kauf von Büchern und eines Atlas für Deep-Sky-Objekte habe ich "dazu" und die Sternbilder besser kennen gelernt. Aber ich habe nicht den Ehrgeiz, Sternbilder in allen Details kennenzulernen. Mir reicht das "charakteristische Muster", mit dessen Hilfe ich die Himmelsobjekte lokalisieren und einordnen kann.
Grundsätzlich hat eine GoTo-Steuerung wenig Einfluss auf das Erlernen oder Nicht-Erlernen von Sternbildern, weil hauptsächlich nach Sternen und Deep-Sky-Objekten gefragt wird. Ich vergebe hier ein "neutral"...
Auch wenn es langweilig ist, dies "ich kannte nie..." noch einmal zu wiederholen: ich kannte nie viele Deep-Sky-Objekte. Ich kannte die Plejaden (Siebengestirn) und den Orionnebel, später kam noch die Andromeda-Galaxie dazu, und das war es dann schon fast. Und dass es diesen Begriff gibt, war mit auch nicht geläufig... Erst durch den Kauf von Büchern und eines Atlas für Deep-Sky-Objekte habe ich "dazugelernt", Listen angelegt, Beobachtungen nachträglich notiert und so das eine oder andere Objekt, zumindest für eine gewisse Zeit näher kennengelernt. Nach dem Ende der "Beobachtungssaison" geraten diese Objekte dann allerdings auch schnell wieder in Vergessenheit. Aber dank meiner Literatur und Aufzeichnungen ist es leicht, die Erinnerungen wiederzubeleben...
Und was bewirkt die GoTo-Steuerung? Zunächst einmal muss man wenigstens die Namen der Objekte wissen, die man beobachten möchte, denn den muss man in die Handsteuerung eingeben. Steuert man über ein Computerprogramm oder eine App, reicht es allerdings auch, die Objekte anzuklicken oder anzutippen. Und hier kann man sich natürlich einfach von dem leiten lassen, was Programm oder App anzeigen. Ich denke, hier braucht man tatsächlich am wenigsten zu lernen. Handbox-Steuerung bedeutet meist, dass man sich vorher informieren muss, was man beobachten möchte und dies aufschreibt oder sich merkt. Komplizierte "Aufsuchwege" (Stichwort "Star Hopping") braucht man sich nicht zu merken. Insofern lernt man sicher am meisten, wenn man alles "mit der Hand" macht. Ich denke aber, man wird auch nicht dümmer als vorher, wenn man eine GoTo-Steuerung für Deep-Sky-Objekte verwendet, aber natürlich nicht so "klug" wie bei reiner Handarbeit.
Zusammengefaßt, denke ich, dass man auch nicht dümmer als vorher wird, wenn man eine GoTo-Steuerung für Deep-Sky-Objekte oder Sterne verwendet, aber natürlich nicht so "klug" wie bei reiner Handarbeit. Man lernt sicherlich nicht so viel hinzu, zumindest gilt dies für bestimmte Aspekte. Ob man mit diesem Manko leben kann, muss jeder für sich selbst entscheiden (auch wenn die Profi-Amateure natürlich ziemlich gegen GoTo wettern...). Für mich habe ich zudem eine Reihe von Annehmlichkeiten (und Widrigkeiten) der GoTo-Steuerung entdeckt, die ich im folgenden beschreiben möchte.
Ich werde weitere Annehmlichkeiten und Widrigkeiten ergänzen, wenn ich darüber stolpere...
Man ist sich einigermaßen sicher, dass das gesuchte Objekt im Bildfeld ist, auch wenn man nichts erkennen kann (jedenfalls, wenn das Teleskop andere Objekte sicher anfährt...). Theoretisch könnte man die Steuerung auch fragen, was sie "sieht", d.h. worauf sie ausgerichtet ist, aber das habe ich noch nie versucht...
Man braucht sich nicht zu bücken oder gar verrenken, um durch den (Geradsicht-)Sucher zu schauen (außer vielleicht bei den Eichsternen).
Man kann den LED-Sucher ausschalten, nachdem das Teleskop fertig ausgerichtet ist und so kostbaren "Batteriestrom" sparen.
Gerade beim Heritage P130 (nicht mehr in meinem Besitz) mit seiner wackeligen Scharfeinstellung kommt mir gelegen, dass ich die Schärfe nicht mehr ändern muss, wenn ich mit dem gleichen Okular, also z.B. dem 16 mm-Übersichtsokular, beobachte.
Man kann die Montierung über Zusatzgeräte (z.B. SkyWire) oder Adapter (RS232-USB-Adapter) mit dem Laptop oder Tablet-Computer über bestimmte Astronomie-Programme (Stellarium, SkySafari, ...) steuern. Das ist intuitiver als mit der Handsteuerung und eröffnet zudem die Möglichkeit, kleine Ausrichtungsfehler zu korrigieren. Schleierhaft ist mir allerdings, warum die GoTo-Steuerungen immer noch RS232-Schnittstellen haben, obwohl diese in Computern seit vielen Jahren nicht mehr verwendet werden. Erst die allerneueste Generation von GoTo-Steuerungen scheint auf USB oder WiFi übergegangen zu sein.
Nicht immer findet das GoTo sein Ziel, vor allem bei hohen Vergrößerungen wirken sich kleine Fehler (ungenaue Ausrichtung, Eichstern nicht richtig zentriert, Eichsterne zu nahe beieinander, ...) deutlich aus.
Mein Fadenkreuzokular hat eine Brennweite von 12,5 mm. Bei meinen Teleskopen
mit langer Brennweite (Skymax-102: 1300 mm; GSD 680*: 1200 mm) kommt bereits
eine Vergrößerung um 100 x damit zustande, was bedeutet, dass die
Eichsterne schon während des Eichvorganges ihre eingestellte Position
verlassen. Hier wird Tempo benötigt, aber ich verhaspele mich immer wieder
bei der Bedienung der Handbox... Deshalb verwende ich lieber mein 32 mm- oder
16 mm-Okular für
die Eichung.
*) Nicht mehr in meinem Besitz; nun Skymax-127 und Explorer 150PDS
Es kann auch schon einmal passieren, dass keine passenden Eichsterne vorgeschlagen werden, aber das hängt vielleicht eher mit meiner mangelnden Kenntnis der Sterne zusammen...
Wenn man gegen das Teleskop oder Stativ stößt und es dabei verschiebt oder auch den Standort wechseln möchte, muss neu ausgerichtet werden.
Bei der Bedienung der Handsteuerung "verheddere" ich mich manchmal, unter anderem auch in den Tiefen des Menüs. Intuitiver ist die Bedienung über ein Astronomieprogramm.
Am Anfang hatte ich einige "Manschetten" vor der GoTo-Steuerung, aber inzwischen habe ich mich "eingefuchst" und sie recht schnell am "Laufen". Dabei gehe ich allerdings kein Risiko ein und bleibe bei niedrigen bis mittleren Vergrößerungen. Außerdem beschränke ich mich zumeist auf einen Himmelsbereich, so dass die Montierung nicht allzuviel herumfahren muss.
Im Gegensatz zur "Handeinstellung" bin ich mir mit der GoTo-Einstellung viel sicherer, das gesuchte Objekt auch wirklich angefahren zu haben, egal ob ich es sehe oder nicht. Wenn ich Objekte sehe, helfen natürlich Zeichnungen (wie in Stoyans Deep Sky-Reiseführer), die sie typischer darstellen als Fotos, um den Fund unter Umständen auch auf diese Weise zu bestätigen.
Egal ob Handbetrieb oder GoTo-Steuerung, es hilft, sich vorher eine Liste von Himmelsobjekten anzulegen, die man beobachten möchte (man muss ja nicht alle davon wirklich beobachten). Wenn ich dann diese Liste im Laufe von Tagen oder Wochen "abarbeite", werden mir die Objekte auch immer vertrauter, und ich kenne die Namen bald auswendig und brauche die physikalische Liste zumindest zum Suchen nicht mehr.
Und nun komme ich zu dem - für mich - vielleicht wichtigsten Unterschied zwischen Handbetrieb und GoTo-Betrieb. Bei letzterem macht es mir keine große Mühe, ein Dutzend oder mehr Objekte immer wieder anzufahren. Gerade wenn der Himmel allmählich dunkler wird, ist das für mich interessant. Anfangs mögen mache Objekte noch gar nicht zu sehen sein. Andere Objekte sind zwar schon zu sehen, sehen aber viel schöner aus, wenn es richtig dunkel ist. Das alles geht recht zügig mit der GoTo-Steuerung (nur das Wechseln zwischen den Katalogen ist lästig...), und ich empfinde es fast schon als "unsportlich" und "unfair" gegenüber dem Handbetrieb, bei dem manche Objekte auch leicht einzustellen sind, andere aber recht mühsam oder gar nicht. Und dann rätsele ich, woran es liegt, dass ich nichts sehe...
Man ahnt schon, dass ich die GoTo-Steuerung als sehr nützliche Ergänzung zum Handbetrieb betrachte und nicht mehr hergeben würde. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen ich die GoTo-Steuerung nicht dabei oder aufgebaut habe, zum Beispiel auf Reisen oder wenn es schnell gehen soll. Dann ist es auch schön, wenn man hinterher bestimmte Funde mit der GoTo-Steuerung bestätigen kann.
Alles in allem, beobachte ich also sowohl mit Hand- als auch mit GoTo-Betrieb und finde, dass sich beide gut ergänzen. Anzumerken ist noch, dass ich keine Ambitionen habe, in den Bereich äquatorialer Montierungen zu wechseln, auch wenn nur diese für die Fotografie von Deep-Sky-Objekten geeignet sind. Dafür sind mir der Aufwand und das Gewicht der Ausrüstung zu hoch...
14.11.2022 |